Das Projekt Circular Westend geht der Fragestellung nach, wie es gelingen kann, in einer Großstadt wie München dem Kreislaufdenken und -handeln in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu maßgeblicher Bedeutung zu verhelfen. Dabei werden folgende Fragen konkret erforscht: Wie und welche Kreisläufe im Bereich der Ernährung und der Nahrungsmittelversorgung können geschlossen werden? Welche Rolle spielt dabei das soziale Miteinander in einer Gesellschaft?
Circular Westend – Nachhaltige Ernährung im Quartier
Gesellschaftlicher Kontext
Städte sind Zentren menschlichen Zusammenlebens, der Produktion und des Konsums. Das macht sie zu Kristallisationspunkten für die Probleme des linearen kapitalistischen Wirtschaftsmodells. Umweltbelastungen, wirtschaftliche Abhängigkeiten und Versorgungsrisiken sind dabei in Städten oft besonders stark spürbar. Gleichzeitig bieten Städte durch ihre Nahräumlichkeit und Dichte gute Voraussetzungen, um technische und biologische Kreisläufe lokal zu schließen. Zudem erfordert und ermöglicht die Vielfalt an Akteur*innen, Ressourcen und Wissen die Etablierung einer zirkulären, also einer nachhaltigen und werterhaltenden Gesellschaft. Städte sind damit als Verursacherinnen, Hauptleidtragende und eben auch als Denkfabrik wichtige Akteurinnen im Kontext einer Circular Society.
Projektrealisierung
Darauf Bezug nehmend geht das Projekt „Circular Westend” der Fragestellung nach, wie es gelingen kann, in einer Großstadt wie München dem Kreislaufdenken und -handeln in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu maßgeblicher Bedeutung zu verhelfen. Dabei wird konkret erforscht und erprobt, wie und welche Kreisläufe im Bereich der Ernährung und der Nahrungsmittelversorgung geschlossen werden können. Der Ansatzpunkt des Projekts ist dabei nicht die gesamte Stadt München, sondern das Quartier Westend/Schwanthalerhöhe als Bezugsgröße mit seinen gewachsenen und geplanten Strukturen. Quartiere lassen sich als kleine Städte innerhalb der Großstadt definieren und sind Hebelpunkte bei der Übertragbarkeit neuer Lösungsansätze auf die gesamte Stadt. Sie verfügen über eine umfassende Infrastruktur, die sowohl Arbeit, Wohnen, Einkaufsmöglichkeiten, Schulen, Ämter und Möglichkeiten des sozialen (Zusammen-)Lebens beinhaltet. Das Westend eignet sich aus vielerlei Gründen besonders gut für dieses Projekt: Neben der Geschichte als ehemaliges Arbeiter*innenviertel, das auch heute noch viele Genossenschaftswohnungen aufweist, macht das vielfältige Angebot an Einkaufsmöglichkeiten, das große Engagement der Bürger*innen für ihr Wohnumfeld, die Einwohner*innendichte und die Diversität der Bevölkerung das Westend als Pilotquartier besonders interessant.
Das Projektteam führt seit 2021 verschiedene Aktionen im Quartier durch, um mit Bewohner*innen und Organisationen in den Austausch zu kommen, Lücken und Lösungsansätze zu identifizieren und Wissen aufzubauen. Zusätzlich konnten in Gesprächen und Interviews konkrete Bedarfe, aber auch Potentiale im Sozialraum identifiziert werden. Daraus ergeben sich zwei konkrete Ansatzpunkte:
Durch das Angebot von Ernährungsbildung für Kinder und Jugendliche soll das Quartier mit seinen nahräumlichen Angeboten der Lebensmittelversorgung für diese als Lernort sicht- und erfahrbar werden. Dazu wurde das Konzept der Ernährungswerkstatt erarbeitet und durchgeführt.
Gemeinsam mit den Initiativen und Engagierten im Quartier und darüber hinaus arbeitet das Projektteam an einem gemeinschaftlichen Ort der Ernährung und der Versorgung. Als Orientierungspunkt dient dafür das Konzept des „Lebensmittelpunkts“, das bereits in vielen Städten Anwendung findet. An dem Ort sollen Vernetzung, Wissensaustausch und das gemeinsame Finden von Hebelpunkten für eine solidarische Ernährung und Versorgung nach zirkulären Prinzipien ermöglicht werden. Konkret könnten dort Kochveranstaltungen, Workshops, Angebote einer solidarischen Landwirtschaft, Diskussionsveranstaltungen und vieles mehr stattfinden.
Wirkung
Ernährungsbildung
Frühes Bewusstsein und Wissen über eine nachhaltige, gesunde Ernährung ist der Schlüssel für nachhaltiges Handeln im Alltag. Angesichts globaler Ressourcenknappheit und den Folgen des Klimawandels ist es notwendig, Kinder und Jugendliche zu Ernährungskompetenz im Sinne von sozial und ökologisch nachhaltigem Denken und Handeln zu motivieren und zu befähigen. So sollen die Kinder und Jugendlichen beispielsweise Wissen über die Bedeutung von Regionalität und Saisonalität erhalten, die Zubereitung von Gerichten erlernen und so einen praktischen Zugang zu einer für den Mensch und für den Planeten gesunden Ernährung erhalten. Durch die nähere Beschäftigung mit unterschiedlichen Orten im Stadtviertel, die für die Ernährung Relevanz haben, wird der Bezug zum eigenen Wohn- und Lebensumfeld hergestellt. So erlangen die Schüler*innen Wissen über verschiedene Stationen, die ein Lebensmittel durchläuft.
Gemeinschaftlicher Ort der Ernährung und Versorgung
Mit Ernährung wird ein breites Spektrum an Bereichen berührt und angegangen: Umwelt, Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Sozialpolitik, Forschung, Logistik und Kultur haben Einfluss darauf, wie wir uns ernähren, und werden gleichzeitig von der Ernährung und Ernährungssystemen beeinflusst. Dabei hat Ernährung enormes Potenzial: Es geht dabei schließlich nicht zuletzt um das Erleben von Genuss, Gemeinschaft und Wohlergehen. Durch die Förderung und Vernetzung bestehender Initiativen sowie entstehender Projekte wird die Ernährungswende im Sinne einer Circular Society erprobt und so weit wie möglich umgesetzt. Durch stetige Dokumentation und Reflexion entstehen zudem Ansatzpunkte zu einer Skalierung über das Münchner Westend hinaus.
Stand: November 2023
Bilder (c) Hans Sauer Stiftung