Essen aus geretteten Lebensmitteln dekorativ angerichtet

Research Sprint im Westend: Eine runde Sache

In der Woche vom 11. bis 15. Oktober begab sich das social design lab-Team im Projekt „Circular Westend“ auf einen Research Sprint. Ein Research Sprint ist ein mehrtägiger Prozess, bei dem ein Forschungsteam nach Erkenntnissen in einem bestimmten Kontext zu einem ausgewählten Thema sucht. Das Projektteam forschte im Münchner Quartier Westend/Schwanthalerhöhe zum Thema Ernährung mit der Absicht, die bisherigen theoretischen Ergebnisse des Rechercheprozesses mit praktischen Aktionen und Erprobungen anzureichern und zu überprüfen. Dabei wurden unterschiedliche Methoden angewandt, um zu verstehen, wie Lebensmittelkreisläufe im Quartier umsetzbar wären. Mit dem Research Sprint und der anschließenden Synthese der Ergebnisse soll die erste Recherchephase finalisiert werden. Auf Basis der daraus entstandenen Erkenntnisse werden konkrete Ansatzpunkte identifiziert, um an diesen weiterzuarbeiten.

Wichtiger Bestandteil und Ausgangspunkt des Research Sprint war, im Team über offene Fragen und Lücken zu diskutieren. Dafür brachte sich das Team zunächst über Ergebnisse der bisherigen Recherche auf den neuesten Stand. Diese speiste sich aus Desk Research und Interviews mit unterschiedlichen Akteur*innen sowohl aus dem Quartier als auch aus dem Ernährungssektor. Die bisher gesammelten Ergebnisse wurden kritisch überprüft. Das Team identifizierte dabei Lücken, die durch Eindrücke aus praktischen Aktionen gefüllt werden sollten. Als Ziele der Aktionen im Quartier wurden die Bewerbung des Projekts im Quartier sowie das Kennenlernen bestehender Initiativen, Akteur*innen und des Quartiers definiert. Zudem wurde in einer konkreten Aktion versucht, selbst Kreisläufe im Quartier anzustoßen beziehungsweise die Anwendbarkeit von Zirkularität zu erproben.

Auf Basis der gesammelten Erkenntnisse wurden Informationsmaterialien und ein Fragebogen jeweils für Endkonsument*innen und gastronomische Betriebe erarbeitet. Ausgestattet mit den erstellten Materialien bewegte sich das Team durch das Münchner Westend, um mit Interessierten ins Gespräch zu kommen und das Projekt zu bewerben. Auffallend war in vielen Gesprächen, wie alltagsnah und gleichzeitig emotional das Thema Ernährung ist – Gesundheit, soziale und ökonomische Gerechtigkeit und Gemeinwesen sind nur einige der Bereiche, die in unterschiedlichen Gesprächen aufkamen. Nachhaltigkeit in Verbindung mit Ernährung erwies sich dabei als guter Anknüpfungspunkt, während Zirkularität in der Ernährung in vielen Gesprächen schwer zu fassen schien.

Darum konzipierte ein Teil des Teams What-If…?-Fragen wie zum Beispiel:

  • Was wäre, wenn es genau so viel kosten würde, Lebensmittel wegzuwerfen, wie sie zu kaufen?
  • Was wäre, wenn es keine Müllabfuhr gäbe, die den Müll abholt?
  • Was wäre, wenn die Verletzung der Umwelt gleich bestraft wird wie die Verletzung von Eigentum?

Ziel war hier, durch die Bildhaftigkeit der Fragen konkrete Zukunftsbilder zu entwerfen. Die Fragen wurden auf Stellwänden im öffentlichen Raum platziert. Sie erwiesen sie sich als guter Einstieg zum Gespräch mit Passant*innen und können auch bei zukünftigen Aktionen verwendet werden.

Stellwand mit Informationen zu einer zirkulären Ernährung
Zwei Personen sitzen in der Sonne vor dem Unverpackt-Laden im Westend

Als Vorstoß zur Schließung von Lebensmittelkreisläufen im Quartier testete ein Teil des Teams Lebensmittelüberschüsse im Viertel auf deren Verwertbarkeit. Dazu lud das Team in Kooperation mit dem verpackungsfreien Laden WestendPUR zu einem Gehsteig-Picknick ein. Am Vorabend begab sich das Team auf die Suche nach Lebensmitteln, die sie vor der (Bio-)Tonne retten könnten, die aber dabei noch verzehr- und verwertbar wären. Die geretteten Lebensmittel wurden zu Snacks verarbeitet und bei der Verkostung für gut befunden. Passant*innen konnten sich dem Picknick anschließen oder für ein Gespräch bleiben.

Beim Streifzug durch das Quartier fiel vielfach auf, dass am Ende des Tages insbesondere Backwaren im Überfluss vorhanden waren. Frischware wie Obst und Gemüse wird in den gastronomischen Betrieben und Einzelhandelsgeschäften zum Großteil weiter verwertet oder bei optischen Makeln günstiger verkauft. Zudem wurde in Gesprächen mit unterschiedlichen gastronomischen Betrieben und Einzelhandel klar, dass Lebensmittelverschwendung und die Vermeidung dessen immer mehr Aufmerksamkeit verlangt. Einige der befragten Betriebe nutzen bereits Foodsharing oder TooGoodToGo oder haben interne Weitervergabesysteme. Schwierig einzuschätzen bleibt aber die Transparenz der Lieferketten und daraus resultierende Einsparungsmöglichkeiten.

Ein weiterer Teil des Research Sprint war die Erkundung des Quartiers in einem Observation Walk. Ziel war hier, die Gegend aufmerksam zu durchstreifen und damit ein Gefühl für die Nachbarschaften zu bekommen. Mithilfe einer Kamera und im intensiven Austausch mit den Kolleg*innen über die Wahrnehmung der Umgebung war die Erkundung erfolgreich und konnte über subjektive Empfindungen hinausgehen. Auch hier kam das Team mit Bewohner*innen, Ladenbetreiber*innen und Passant*innen ins Gespräch.

Beim Research Sprint konnte das Team über das Projekt informieren, unterschiedliche Perspektiven verstehen lernen und mit bereits aktiven Akteur*innen im Quartier in Kontakt treten. Nach den Aktionen nahm sich das Projektteam Zeit, um bisherige Ergebnisse aus Desk Research und praktischen Aktionen gemeinsam auch visuell zu verdichten. Angereichert mit den Erkenntnissen aus dem Feld ergibt sich eine vertiefte Grundlage für das Projekt. In Kontakt mit Akteur*innen des Quartiers und bei allen Aktionen wurde deutlich, dass die Präsenz vor Ort für Netzwerkarbeit und das Verständnis des Quartiers mit dessen gewachsenen Strukturen besonders wichtig ist. Diese Erkenntnis als Ausgangspunkt nehmend werden weitere Schritte im Projekt geplant. Das Projektteam ist für Anregungen und Impulse dahingehend weiterhin offen.

Ein Fahrrad mit einem Korb, in dem Kräuter wachsen.

Hintergrund zum Projekt: Das Projekt „Circular Westend” geht der Fragestellung nach, wie es gelingen kann, in einer Großstadt wie München dem Kreislaufdenken und -handeln in Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft zu maßgeblicher Bedeutung zu verhelfen. Besonderer Fokus liegt dabei auf dem Thema Ernährung. Der Ansatzpunkt des Projekts ist dabei nicht die gesamte Stadt München, sondern das Quartier Westend/Schwanthalerhöhe als Bezugsgröße mit seinen gewachsenen und geplanten Strukturen. Weitere Informationen sind hier zu finden.

Bilder (c) Hans Sauer Stiftung