Stadt.Raum.Kirche im Olympiadorf: 7 Szenarien der Transformation
Wie können Kirchenräume in Zukunft noch vielfältiger genutzt werden? Am 16. Juli stellten Architekturstudierende der Hochschule München im Rahmen des Projekts Stadt.Raum.Kirche ihre Gestaltungsideen für die Transformation des Ökumenischen Kirchenzentrums im Olympiadorf vor. Die Präsentationen bildeten die Abschlussveranstaltung des Projekts in dessen Rahmen zwischen März und Juli 2025 partizipative Werkstätten zur gemeinsamen Bedarfserhebung und Ideenentwicklung stattfanden. Die Ergebnisse in Form von sieben Transformations-Szenarien stellen wir in diesem Beitrag vor.
Das Projekt Stadt.Raum.Kirche
Das Ökumenische Kirchenzentrum im Olympischen Dorf München startete gemeinsam mit der Hans Sauer Stiftung und der Hochschule München das Projekt, um Impulse für gemeinwohlorientierte Entwicklungen in kirchlichen Räumen und Gemeinden zu setzen. Das Ziel: Gemeinsam mit den bestehenden und zukünftigen Nutzer*innengruppen des Kirchenzentrums Bedarfe erheben und Ideen für eine nachhaltige Nutzung der kirchlichen Räume sowie deren Einbettung in den öffentlichen Raum entwickeln.
Neben Vertreter*innen der evangelischen und katholischen Gemeinde waren Akteure der Zivilgesellschaft aus den Bereichen Nachhaltigkeit, Kinder- und Jugendhilfe und nachbarschaftliches Leben, kommunalpolitische Akteure und viele mehr beteiligt. Die Architekturstudierenden der Hochschule München begleiteten mit kreativen Gestaltungsentwürfen den Prozess.

Der Kontext: Warum Nutzungserweiterung für Kirchenräume?
Hintergrund des Projektvorhabens sind die derzeitigen gesellschaftlichen Entwicklungen, ein Rückgang von Gemeindemitgliedern und fehlendes pastorales Personal. Dies führt zukünftig zu einer geringeren Auslastung der Räumlichkeiten und sinkenden finanziellen Mitteln für den Unterhalt der Gebäude.
Eine mögliche Maßnahme, um gegensteuern zu können: die Räumlichkeiten des Kirchenzentrums für eine breitere Nutzung zu öffnen. Wie das funktionieren könnte, hat das Projekt nun untersucht.
Die Ergebnisse: Bedarfe, Ideen, Zukunftsszenarien
In der Abschlussveranstaltung präsentierten die Architektur-Studierenden sieben Nutzungsszenarien. Jeder Entwurf basierte auf einer gruppenspezifischen Clusteranalyse der in den Werkstätten erhobenen Bedarfe.
Die Studierenden erstellten zudem fachlich aufbereitete Poster, die im Kommunikationsraum zwischen der evangelischen und katholischen Kirche aushingen. Nach den Präsentationen hatten die Teilnehmenden der Abschlussveranstaltung die Gelegenheit, die Poster im Detail zu sichten und weiterführend zu diskutieren. Den Abschluss bildete ein kleines Buffet mit Ausklang und informellem Austausch.
Hier zeigen wir nun die vorgestellten und diskutierten Szenarien:

WERKStadt: Zirkularität, Gemeinschaft und Zukunft Kirche
Zukunftsvision
Das Konzept zeigt, wie kirchliche Räume durch zirkuläre Nutzungskonzepte und partizipative Ansätze zukunftsfähig werden – ökologisch, sozial und kulturell.
Zunächst werden mit minimalen baulichen Interventionen im Untergeschoss ein offener Werkstattbereich sowie Kinder- und Jugendräume zoniert in Aufenthalts-, Essens- und Kreativbereiche eingerichtet. In der katholischen Werktagskirche entsteht ein (Informations-)Treffpunkt. Mittelfristig wird das bestehende Tragwerk durch ein äußeres Gerüst verstärkt, dieses verbindet alle Ebenen und macht das Dach nutzbar. Langfristig entsteht auf dem Dach ein neuer sozialer und kreativer Raum mit Mensa, Ateliers und Kunsträumen. Im Untergeschoss entstehen Lagerflächen für wiederverwendbare Materialien, die für Kunst und Handwerk genutzt werden.
Charakter
Das Projekt setzt auf zirkuläre Nutzung: Bestehende Räume werden flexibel weitergedacht statt neu gebaut. Es entsteht ein offener, wandelbarer Ort für alle Generationen, der sich stetig weiterentwickeln kann.
Konzept von Kilian Knauer, Noemi Kovacs

Raum für Alltag
Zukunftsvision
Das Konzept nutzt die zentrale Lage des Gebäudes und entwickelt das Kirchenzentrum zu einem städtischen Kulturzentrum – es entsteht ein lebendiger Ort mit barrierefreiem Zugang.
Die mittelfristige Zusammenführung der katholischen und evangelischen Kirche in der heutigen Werktagskirche eröffnet Raum für neue kulturelle und kinderfreundliche Angebote – etwa Musik- und Theaterräume, Räume für Krabbelgruppen und Jugendliche. Jedes Stockwerk wird barrierefrei erschlossen. Zugleich wird der Außenbereich aufgewertet: Freitreppen zum Vorplatz und ein einprägsamer Turm für den Dachgarten öffnen das Zentrum. Ebenso bringen Öffnungen in Fassaden und Dach mehr Tageslicht ins Gebäude.
Charakter
Die dunkle, versteckte Architektur wird aufgebrochen bei gleichzeitiger Betonung des Mero-Tragwerks, es entsteht ein Kulturzentrum mit Amphitheater und das Dach wird zur Nutzung geöffnet.
Konzept von Filipp Bosl, Hamz Dar, Zaira Carbajal

OLYFORUM: Spiritualität. Vielfalt. Dialog
Zukunftsvision
Das OLYFORUM zielt auf den offenen Dialog, gegenseitigen Respekt und soziale Teilhabe verschiedener Gruppen im Olympia-Viertel.
Das Projekt konzentriert sich auf die Neuordnung der Räume, um Platz für ein multireligiöses Zentrum zu schaffen, in dem die Kirchen zwar getrennt sind, aber durch einen gemeinsamen Platz verbunden werden. Die aktuelle evangelische Kirche wird in einen großen Veranstaltungssaal umgewandelt, der vermietbar ist.
Auch im Untergeschoss werden die Räume neu organisiert, um ein soziales Café mit einem überdachten Platz, Räume für Bildung und Kultur und ein Co-Working-Space einzurichten.
Charakter
Das Zentrum wird zum Modellprojekt für ein interkulturelles und interreligiöses Haus mit barrierefreien Zugängen und einer warmherzigen, einladenden Atmosphäre.
“Yes, the idea was not only to include Christians, both Evangelicals and Catholics, but also other religions, and to create spaces in between where dialogue could happen and a sense of community could develop.” Studentin und Autorin des Szenarios
Konzept von Isabel Prados, Paula del Rosal

O(n)ly together: Inklusives Gemeinschaftszentrum
Zukunftsvision
Das Projekt will dem Olydorf ein barrierefreies Gemeinschaftszentrum geben – und dafür das Ökumenische Zentrum mit geöffneten Fassaden, neuen Räumen und Dachnutzung erweitern.
Das Dach wird aufgestockt und mit einem Café und Dachgarten versehen. Das mehrgeschossige Wegenetz des Dorfes soll beim Gemeinschaftszentrum durch zwei Rampen barrierefrei verbunden werden. Auch inklusive Räume für Seelsorge, Gottesdienste, Gemeinschaft, Kurse und Festlichkeiten unterschiedlicher Raumqualitäten entstehen.
Charakter
Das Zentrum wird markanter Stadtbaustein und schafft offene Flächen für Erholung, Gemeinschaft und Spiritualität.
Konzept von Hannah Rühlke, Sharina Kucera

Gemeinsam statt einsam – Seniorengeführtes Gemeinschaftszentrum
Zukunftsvision
Das Konzept schafft ein Gemeinschaftszentrum, das durch das Engagement seiner Bewohner*innen getragen wird.
Um sowohl physische Barrierefreiheit als auch einen besseren Informationsfluss zu gewährleisten, entsteht an der Westseite des Gebäudes ein Treppen- und Aufzugsturm, der auch für Informationszwecke und als Wasserspeicher genutzt werden kann. Auf der Ostseite wird das Gebäude mit Treppen und Rampen mit dem öffentlichen Platz verbunden. Im Mittelteil des Gebäudes entsteht ein Quartierscafé und ein Teil des Hauses wird künftig Wohnungen für Senior*innen beherbergen – bevorzugt aus dem Olympiadorf. So werden in der Umgebung andere Wohnungen frei, in die größere Familien einziehen können. Die Senior*innen zahlen Miete, die sie – abhängig von ihrem Engagement im Haus – reduzieren können. Dazu zählen z. B. Kochen, Backen und Verkaufen im Café, Organisation von Veranstaltungen, das Anleiten von Kursen oder koordinierende Aufgaben wie die Leitung des Hauses. Auf dem bestehenden Dach wird nach statischer Verstärkung ein Dachgarten angelegt, in dem Lebensmittel für das Quartierscafé angebaut werden.
Charakter
Das Konzept verbindet Gemeinschaft, Gastronomie und Offenheit mit Seniorenwohnen.
Konzept von Cora Höpfner, Daniel Korge, Ramona Friedrichs

Dorfplatz unter einem Dach
Zukunftsvision
Das Konzept überführt den dörflichen Charakter des Ortes in eine zeitgemäße Architektursprache: ein moderner gemeinschaftlicher “Dorfplatz” entsteht, der eine Bühne für soziale und kulturelle Prozesse bietet.
Die Entweihung der Kirchen und Etablierung eines interreligiösen “Raum der Stille” ist ein radikales und sichtbares Zeichen des Wandels und der Öffnung. Ebenso radikal werden Fassadenelemente entfernt und unterschiedliche Pavillons eingerichtet, z. B. Klimapavillons, Café, Co-Working-Space. Durch Lufträume und gezielte Öffnungen im Dach entstehen spannende Lichtstimmungen und neue Raumqualitäten. Die Freiräume sind dabei als integraler Bestandteil des Raumgefüges zu verstehen, innen und außen verschmelzen visuell miteinander.
Charakter
Durch die Auflösung der bestehenden Großstruktur und die bewusste Reduzierung der Innenflächen entsteht ein moderner Dorfplatz.
Konzept von Luise Burkhart, Luz Theresia Dangl

Abrahamszelt – offen für alle
Zukunftsvision
Die Kirchenräume öffnen sich für alle drei abrahamitischen Religionen. Neue Räume fördern Kultur, Jugend und Gemeinschaft. Das Zentrum wird ein lebendiger Treffpunkt im Quartier – verwurzelt in der Geschichte und zukunftsorientiert.
Der Haupteingang wird ins Erdgeschoss verlegt. Der religiöse Raum wird in der heutigen Werktagskirche kompakter und flexibel nutzbar gestaltet – er kann künftig als evangelische oder katholische Kirche oder als neutraler Ort für Stille und Begegnung dienen. Zukünftig werden auch eine Moschee und Synagoge in den gemeinsamen religiösen Raum integriert, der sich so zu einem interreligiösen Ort des abrahamitischen Dialogs entwickelt – kluge und flexible Innenarchitektur macht dies möglich. Durch die Verkleinerung der Kirchenräume entsteht im Innenraum zusätzlicher Platz für kulturelle und touristische Veranstaltungen sowie die OlyGalerie und das Olykiosk. Die Räume im Erdgeschoss werden umgebaut, um neue Angebote für Jugendliche zu schaffen, darunter eine Werkstatt, eine vergrößerte Gemeinschaftsküche und ein Medienraum. Im Untergeschoss erhält das Oly-Archiv sein dauerhaftes Zuhause – als kollektives Gedächtnis des Viertels und lebendiger Ort für Erinnerung und Forschung. Gleichzeitig wird die Nordseite des Erdgeschosses zu einem offenen Sport- und Bewegungsbereich umgestaltet.
Charakter
Mit Aussicht auf eine mögliche Anerkennung des Olympiadorfs als Weltkulturerbe, bietet das Konzept eine Möglichkeit, das Kirchenzentrum behutsam weiterzuentwickeln und zugleich als identitätsstiftenden Bestandteil des Quartiers zu stärken.
Konzept von Ahsen Bakiroglu, Cih-Syuan Ciou
Ausblick: Wie weiter mit den Ideen?
Diese Impulse dienen nun also als Grundlage für Zukünftiges: Die Ergebnisse der Veranstaltungen sind als Anregungen zu verstehen, die den Entscheidungsgremien der Kirchengemeinden als Bausteine für weitere Entwicklungen dienen können. Es wird sich zeigen, inwiefern die Ergebnisse nun vertieft, konkretisiert und geprüft werden.
Als social design lab beschäftigen wir uns weiter mit dem Thema Raumpotenziale in kirchlichen Kontexten. Tiefere Einblicke in den Prozess liefert ab Anfang September eine umfassende Projektdokumentation auf unserer Website. Schreiben Sie uns bei Interesse gerne via raumpotenziale@hanssauerstiftung.de!
Und auch konzeptionell bleibt das Thema in der Projektarbeit in unserem Projekt Stadt.Raum.Potenziale verankert: Schauen Sie gerne wieder hier vorbei, was dazu in den nächsten Wochen kommt.
