Interview mit dem social design lab

Im Rahmen eines Hochschulkurses ist dieses Interview mit dem social design lab entstanden: Luisa Lücke und David Furmanek studieren im sechsten Semester an der AMD München und haben sich im Sommersemester 2023 mit dem Thema Social Design beschäftigt. Ihr Kurs befasst sich mit den verschiedenen Aspekten des Social Designs und untersucht die Wechselwirkungen zwischen Design, Gesellschaft und Nachhaltigkeit.

Bei ihrer Recherche sind sie auf die Hans Sauer Stiftung gestoßen und haben dem social design lab ein paar Fragen gestellt.

// Mai 2023 

 

Bei dem Versuch, Social Design zu definieren, sind wir auf ein breites Spektrum von Ansätzen gestoßen. Wie definiert das social design lab den Begriff „Social Design“ und welche Bedeutung nimmt dieser Begriff in Ihrer Arbeit?  

Ja das stimmt, es gibt nicht die eine allgemeingültige Definition und der Bereich entwickelt sich ständig weiter. Wir haben für uns aktuell diese Definition formuliert, an der wir uns in unserer operativen Arbeit orientieren: “Social Design ist ein partizipativer und transdisziplinärer Ansatz zur Gestaltung von Lösungen für komplexe gesellschaftliche und sozial-ökologische Herausforderungen – mit dem Ziel, sozial-ökologische Transformation hin zu besseren Zukünften anzustoßen und zu stärken.” 

Der Aspekt der Partizipation ist dabei zu betonen. Wir wollen nicht von oben herab für Menschen vermeintlich gute und neue Lösungen gestalten, sondern mit den jeweiligen Zielgruppen gemeinsam herausfinden, was Sinn macht. Dabei nehmen wir oft die moderierende Rolle ein. 

Und wir merken immer wieder, dass wir oft eine prozessorientiertere Sichtweise haben als andere Social Design Ansätze, die sich stärker auf die Gestaltung von Produkten fokussieren.  

Unser Team selbst ist auch interdisziplinär. Das spiegelt sich beispielsweise in der Wahl unserer Social Design Methoden wider. Es kommen Methoden und Herangehensweisen aus dem Design und auch aus den Sozialwissenschaften zum Einsatz und wir entwickeln selbst neue Methoden und Formate, die diese unterschiedlichen Perspektiven und auch Erfahrungen der letzten Jahre miteinander verbinden.  

Und noch eine Bemerkung zum Begriff “Lab”: Im Gegensatz zu einem wissenschaftlichen Forschungslabor ist das Lab alles andere als ein abgeschlossener Raum, und trotzdem ist es ein Experimentierfeld – allerdings ohne konkret verortet zu sein. Das Lab kann und soll überall stattfinden und das möglichst nah an dem gesellschaftlichen Kontext, in dem im Projekt gearbeitet wird. 

 

Inwiefern gibt es eine langfristige Fortführung der durchgeführten Projekte im Bereich des Social Entrepreneurship, beispielsweise durch die Gründung von Vereinen, Organisationen oder Unternehmen? 

Wir denken im social design lab in Prozessen. Das Thema Verstetigung und Kultivierung spielt für uns eine große Rolle, wobei es natürlich eher während und zum Ende eines Prozesses realistisch ist und wir nicht am Anfang definieren, was das Ziel ist. Erstmal wir recherchiert, exploriert, neue Ideen entwickelt und Prototypen getestet. 

Es ist nicht zu unterschätzen welche Wirkungen auch hier schon durch den Prozess entstehen können, die oft kein so ganz klares Ziel verfolgen. Oftmals sind das zum Beispiel auch neue Routinen, Praktiken, Strukturen oder Menschen, die sich neu vernetzen. Wenn der Prozess dazu führt, dass Menschen selbst aktiv werden und beispielsweise eine Bürger*inneninitiativen gründen, dann ist das für uns ein wünschenswertes Prozessergebnis. Wir verstehen uns als Lab immer nur als Prozessbegleitung, die Projekte werden entweder abgeschlossen oder es wird versucht, ihnen zu einer selbstständigen Verstetigung zu verhelfen. Das Thema Social Entrepreneurship steht dabei nicht im Fokus, ist aber nicht ausgeschlossen.  

 

Wie funktioniert die Finanzierungsstruktur und die Zusammenarbeit mit der Hans Sauer Stiftung? 

Ein Teil der Lab-Arbeit und Social Design Entwicklung wird durch die Hans Sauer Stiftung finanziert. Zusätzlich gibt es für einzelne Projekte externe Förderungen oder Beauftragungen.  

Wir arbeiten als Lab operativ – und nicht fördernd. In unseren Projektbegleitungen arbeiten die Projektträger immer aktiv mit und leisten einen großen Teil an Eigenarbeit. 

 

Inwiefern legt das social design lab der Hans Sauer Stiftung bei seinen Projekten, die sich mit realen Problemen befassen, einen Fokus auf ganzheitliche und strukturelle Lösungsansätze? 

Ganzheitliche Systembetrachtung und Strukturveränderung – beides spielt bei uns eine Rolle, auch wenn das natürlich große Ziele und wir auch hier in einem Experimentiermodus sind. Wir versuchen das über die Kombination von “Field Work”, also arbeiten im Feld / in der Praxis und “Field Building”, dem schaffen von Diskurs-, Resonanz- und Handlungsarenen zu erreichen.  

Wir nehmen uns am Anfang und zwischendurch immer wieder Zeit, in der wir versuchen, das soziale System zu verstehen, mit dem wir uns beschäftigen. Thematisch, inhaltlich und besonders auch mit einem Fokus auf die Akteur*innenlandschaft. Diese Recherche ist essentieller Teil unseres Prozesses. Auch entwickeln wir aktuell eine Methode zur realzeitlichen Wirkungsbeobachtung 

Wir achten bewusst darauf, Menschen zusammenzubringen, die sonst wahrscheinlich nicht aufeinandertreffen würden und schon gar nicht ko-kreativ miteinander arbeiten würden. Hier werden sektorale, fachliche und hierarchische Grenzen bewusst aufgebrochen. In einem Social Design Workshop oder bei einer Veranstaltung sollen sich alle auf Augenhöhe begegnen.  

 

In welcher Rolle sehen Sie das social design lab im Kontext München und welche Erfolge konnten bisher erzielt werden? 

Wir verfolgen im social design lab aktuell Prozesse in drei Themenbereichen: Sozialraumgestaltung, Transformative Städte und Circular Society.
In München sind wir dabei besonders in den zwei letzten aktiv.  

Im Bereich Transformative Städte sind wir aktuell beauftragt, für die Stadtverwaltung Beteiligungsprozesse durchzuführen. Das Ziel dieser Prozesse variiert. Aktuell geht es u.a. um die Themen Bildung und Entwicklung von Nutzungs- und Versorgungskonzepten. 

Erfolgreich abgeschlossen wurde in diesem Bereich beispielsweise ein Prozess, in dem eine Gruppe von Menschen aus der Stadtgesellschaft im Rahmen der “Perspektive München” Visionen für das Leitbild der Stadt München erarbeitet hat.   

Außerdem sind wir an dem größeren Forschungsprojekt MCube der TU München aktiv, um bei der Bürger*innenbeteiligung zu unterstützen. In dem Projekt geht es um das Thema autoreduzierte Quartiere. Es wurden schon kleinere Interventionen durchgeführt, wie eine Eisstockbahn auf Parkplätzen in zwei Münchner Quartieren – weitere Aktivitäten sind für diesen Sommer in der Umsetzung.  

Ebenso auf Quartiersebene setzt das Projekt “Circular Westend” an. Hier werden Experimentierräume zum Thema zirkuläre Lebensmittelversorgung im Quartier geschaffen und sich mit Menschen und Initiativen vor Ort über das Thema Ernährung ausgetauscht. Dazu wird außerdem eine “Ernährungswerkstatt” an einer Schule im Westend getestet.   

 

Wo sehen Sie aktuell Problemfelder und zukünftige Herausforderungen im Raum München, auch für andere Organisationen? 

Da gibt es viele Themen. Die sozial-ökologische Transformation betrifft ja alle Lebensbereiche. Wachsende Städte und wie ein gutes Zusammenleben gestaltet werden kann, spielt in München natürlich eine große Rolle.  

Zeit, fehlende Flexibilität und Innovationsbereitschaft stellen immer wieder eine Herausforderung dar. Die meisten Strukturen sind lange gewachsen und verändern sich nicht so leicht. Das gilt auch für viele Organisationen und Unternehmen.  

Unsere Herangehensweise dazu ist es, nicht lange zu zögern und direkt ins Machen und Ausprobieren zu kommen, mit dem Ziel, dass man die passenden Menschen erreicht und sich dann im Prozess neue Lösungen und Anstöße für die komplexen Herausforderungen entwickeln. 

Und: Oft können sich Menschen gar nicht vorstellen, wie eine alternative Realität aussehen kann. Dazu ist es wichtig, ins Gespräch zu gehen und über mögliche Zukünfte zu sprechen und wie diese gestaltet werden können.  

 

 

// Vielen Dank für das Gespräch 

Interview: Luisa Lücke und David Furmanek 

Antworten: Jenny Gallen, Nadja Hempel, Barbara Lersch (social design lab)