Münchener Initiative zu fairer Bodenpolitik im Portrait

Der Mensch muss essen, trinken, schlafen und wohnen. Doch was passiert, wenn sich Niemand mehr die Mieten leisten kann? 
In der Sendung „Stadtgesellschaft in der Krise“ zeigt die ARD in dem 9min. Video „Bodenlos“ wie das Spiel der freien Marktmächte unsere Böden zu Spekulationsobjekten machen – und was renommierte Architekten fordern.

Investmentfirmen kaufen ganze Wohnblöcke um sie leer stehen zu lassen, warten auf steigende Preise, die beste Rendite. In München, der teuersten Stadt Deutschlands, sind die Bodenpreise von 1950 bis heute um 3600% gestiegen, allein in den letzten 3 Jahren haben sie sich verdreifacht. In Folge können sich immer weniger normal verdienende Menschen das Wohnen in Deutschlands Städten leisten.
Laut Christiane Thalgott, Stadtplanerin und Mitgründerin der Münchner Initiative „Münchner Aufruf für eine andere Bodenpolitik“, liegt der Kern der Problematik im Boden. Nachdem Städte und Kommunen jahrelang Boden an Privatunternehmen verhökert haben, ginge es nun darum, die Stadt wieder aus den Händen der Spekulanten zurückzuholen und den Boden, wie Wasser und Luft, als Gemeingut anzuerkennen.
Auch Renier de Graaf, niederländischer Urbanist und Architekt, spricht sich für radikale Ideen in der Stadtentwicklung aus und befürwortet die Münchner Initiative. Häuser bleiben so Privateigentum, Boden jedoch im Besitz öffentlicher Hand. Erbbaurechte würden dabei helfen langfristig soziale Ungerechtigkeit und leistungslosen Gewinn zu verringern, so wie das bereits in der Bayerischen Landesverfassung Art. 161 BV, verabschiedet wurde:

(1) Die Verteilung und Nutzung des Bodens wird von Staats wegen überwacht. Mißbräuche sind abzustellen.

(2) Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.

David Chipperfield hält die aktuelle Stadtentwicklung für ein Monster, ästhetisch und weil sie die Stadt als lebendigen Organismus zerstöre. Die ausschließende Ökonomie der Immobilienbranche, so der Stararchitekt, habe enormen Einfluss auf die Sozialstruktur der Stadt und die Zusammensetzung der Bevölkerung.

 

Alle drei Protagonisten des Beitrags sind sich einig, dass der ungehemmte Bodenmarkt eine zersetzende Wirkung auf den sozialen Zusammenhalt der Stadtgesellschaft entfaltet und dass eine radikale Kehrtwende in der Bodenpolitik längst überfällig ist. Dänemark und die Schweiz machen es uns vor: dort gibt es gesetzliche Regulierungen für den Handel mit Boden. Doch ein Blick in die deutsche Verfassung Art. 14 GG würde reichen:

(2) „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“

Grundeigentümer und Käufer müssten sich demnach, im Sinne einer nachhaltigen und sozialgerechten Wohnungs- und Stadtpolitik, schon längst an der Herstellung öffentlicher Infrastruktur und der Errichtung dauerhaft bezahlbaren Wohnens beteiligen. Und dies sei, so die drei Architekten, der einziger Weg zu einer demokratischen Gesellschaft mit bezahlbarem Wohnraum in lebenswerten Städten – in Städten, die uns allen gehören.

 

Die Hans Sauer Stiftung zeichnete mit dem Hans Sauer Preis 2016 „Social Design. Bezahlbar. Gut. Wohnen.“ Projekte aus, die für neue Wege zur Schaffung bezahlbaren Wohnraums mit hohem Wohnwert stehen. Ein Schlüsselbegriff war dabei „Social Design“: Im Zentrum des Wettbewerbs standen überzeugende und vorbildliche Lösungen einer sozialen Gestaltungsaufgabe, die auch im Prozess der Gestaltung und Umsetzung neue soziale Wege beschreiten, sowie mit unterdurchschnittlichem Kostenaufwand intelligente und wegweisende Lösungen hervorbringen und neue soziale Praktiken zur Schaffung von Wohnraum aufzeigen.

 

Mehr über den Hans Sauer Preis 2016 und seine Preisträger erfahren Sie hier.

Mehr Informationen über die Initiative „Münchner Aufruf für eine andere Bodenpolitik“ gibt es hier.

Empfehlenswert: Vortragsreihe mit Podiumsdiskussion „Bodennutzung“, in der Lösungen für eine zukünftige Bodenordnung diskutiert werden (TUM München).

Foto: Mitul Shah

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Bauen am Bedarf vorbei – Lars Boettger
4. März 2022 at 2:06

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