Interview mit JØRGEN RASMUSSEN & BIRGITTE GEERT JENSEN

Jørgen Rasmussen ist ein dänischer Designer, Architekt und Unternehmer und hat seit 1957 ein eigenes Designbüro. Er ist Professor für Architektur an der Aarhus School of Architecture.

Birgitte Geert Jensen studierte Architektur und Industriedesign an der Aarhus School of Architecture, wo sie heute eine Professur innehat. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf User Centered Design und Partizipation.

 

// 23.02.2015

 

social design lab:

Was bedeuten für Sie Social Design und Social Impact?

Jørgen Rasmussen:

Sie benennen es selbst: der wichtigste Punkt dabei ist der Impact, die Wirkung. Es geht darum, einen Designprozess so zu gestalten, dass sich etwas langfristig verändert. Wir hatten während meiner Lehrtätigkeit einige Projekte, bei denen wir viel gelernt haben, aber wir bemerkten, dass sie keine Veränderung hervorriefen. Deshalb beschlossen wir im vergangenen Semester, raus zu gehen, in die Projektgebiete und direkt mit den Menschen dort zu arbeiten. Und vor Ort bemerkten wir, was die Menschen wirklich bewegt und wo sie sich Veränderungen wünschen.

An einem Projektort in der Nähe von Aarhus, beispielsweise, wohnen viele ältere Menschen und es gab dort fünf oder sechs verschiedene soziale Organisationen für diese Bevölkerungsgruppe. Aber diese Organisationen kommunizierten nicht untereinander und gingen auch nicht auf die Bedürfnisse der Senioren ein.
Die Studierenden brachten sie alle ins Gespräch und es entstand eine lebendige Gemeinschaft. Die älteren Menschen wurden bevollmächtigt, sodass sie nicht mehr für sie organisierte Aktivitäten besuchen mussten, sondern sich selbst untereinander vernetzten und sich eigene Veranstaltung überlegten. Die Studierenden halfen ihnen dabei, eine Webseite dafür zu erstellen und gemeinsam wurde ein Stadtspaziergang geplant, auf dem die Menschen ihre Geschichten und Erfahrungen über ihre Heimat teilen konnten. Dadurch wurde wirklich eine positive Veränderung für diese Gemeinde bewirkt.

Birgitte Geert Jensen:

Der Designbegriff ist komplexer denn je. Wir befinden uns nun in der vierten Generation der Designer, wo wir verschiedene Stadien und Deutungen ihrer Rolle durchlaufen haben. Sie sind heute nicht mehr Produktdesigner, auch nicht mehr Leiter und Entwerfer eines Prozesses. Für moderne Designer ist klar, dass mit den Menschen gemeinsam gestaltet werden muss, das nennt sich Co-Design. Denn Designer kennen nicht alle Antworten für jedes Problem.

Dies ist die aktuelle Entwicklung. Das Wissen des Designers ist hier immer noch wichtig. Wir kennen Möglichkeiten zur Visualisierung und Kommunikation, die innerhalb des Co-Creation-Prozesses nötig sind, aber auch, um die Ergebnisse mit der Stadtverwaltung oder Unternehmern zu kommunizieren. Dafür werden Designer gebraucht, aber wir können heute nicht mehr alleine entwerfen. Wir brauchen mehr Bürger im Prozess.

Jørgen Rasmussen:

Für einen Social Designer ist auch das transdisziplinäre Arbeiten wichtig. Denn: was ist Design? Es ist keine Kompetenz wie Programmieren oder Bauleitplanung, wir haben in der Regel keine Spezialisierung in dem Bereich, den wir verändern möchten. Indem wir das Wissen anderer nutzen, können wir technische Aspekte überspringen und gleich zum Wesen der Sache kommen, das sind die Menschen.

Birgitte Geert Jensen:

Social Design und Social Impact stehen in Beziehung mit dem, was man heutzutage überall beobachten kann: viele junge Menschen, die etwas verändern möchten. Als Jörg und ich noch studiert haben, ging es nur darum, schöne Dinge zu entwerfen. Aber junge Designer wollen nicht einfach nur ein Produkt designen, viele wollen etwas Bedeutungsvolles tun. Auch wenn sie damit nicht ‚die Welt gerettet‘ haben, ist das nicht wichtig. Immerhin haben sie etwas verbessert.

 

 

social design lab:

Welche Rolle spielen Co-Creation und Co-Design bei dieser neuen Bewegung?

Jørgen Rasmussen:

Beim Design geht es um den Menschen, deshalb müssen wir die Menschen und ihre Bedürfnisse genau verstehen. Das geht am besten, wenn wir mit ihnen entwerfen und nicht für sie. Hier sind traditionelle Soft Skills gefragt, wie Empathie, Verständnis und Offenheit gegenüber verschiedenen Problemen. Bei Co-Creation ist es sehr wichtig, den Verständigungsprozess zu nähren und Menschen mit verschiedenen Meinungen, verschiedenen Kulturen, etc. zusammenzubringen und ihnen den Weg vorzugeben.

Birgitte Geert Jensen:

Wenn wir so komplexe Probleme wir Migration oder den demographischen Wandel betrachten und hier etwas verändern wollen, ist die Lösung kein Produkt oder Service. Die Lösung muss die Menschen selbst verantwortlich machen. Als Designer sind wir so etwas wie die Hebammen des Prozesses.

Jørgen Rasmussen:

So können wir die Gesellschaft zum Besseren verändern.

 

 

social design lab:

… oder die Gesellschaft zumindest besser für solche Probleme rüsten?

Jørgen Rasmussen:

Ja, falls die Katastrophe eintritt. Na, ich hoffe nicht! [lacht]

 

 

social lab design:

Was sind Stolperfallen beim Co-Design-Prozess, die man kennen sollte?

Jørgen Rasmussen:

Sehr wichtig ist der Respekt. Die Mit-Entwerfer sind Experten, was ihr Leben betrifft, Designer müssen das akzeptieren und respektieren. Wenn man ihnen auf Augenhöhe und mit Achtung begegnet, werden sie einem wertvolle Informationen geben, sie werden aktiv mitgestalten und kreativ sein.

Birgitte Geert Jensen:

Wenn man als Architekt im schwarzen Anzug aufkreuzt, merkt man schnell, dass das so nicht geht. Ohne Empathie bekommt man gar nichts von den Bürgern. Man muss sich selbst genauso öffnen, wie man es sich von den Teilnehmern wünscht. Das hat viel mit Vertrauen zu tun. Wir Dänen sind sehr offen, uns fällt es leicht, ins Gespräch zu kommen. Wenn Vertrauen herrscht, glauben die Mitgestalter nicht, dass sie uns einfach nur ihre Ideen liefern und wir sie dann stehlen, sondern es entsteht ein echter Dialog.

 

 

social design lab:

Sie sind beide Architekten. Wenn Sie in eine neue Stadt kommen, wie nehmen Sie sie wahr?

Birgitte Geert Jensen:

Architekten werden ausgebildet, den Kontext zu sehen. Wir achten auf die Umgebung, das Material, die Fassaden, die Zusammenhänge.

Jørgen Rasmussen:

Wir suchen nach guten Dingen, Dingen die Wert haben. Gut gemachte Architektur ist wertvoll, gute Infrastruktur auch. So lernen Architekten.

Siena, in Italien, ist beispielsweise eine wunderschöne Stadt, man fühlt sich vom Gesamteindruck dort überwältigt. Wir versuchen dann, diese Eindrücke zu benennen und zu erklären. „Die Stadt ist fantastisch! – weil…“. Wir suchen aber auch überall nach Problemen und Potenzialen.

Das unterscheidet Designer von vielen anderen Berufsgruppen, insbesondere im akademischen Bereich. Andere beobachten die Welt und schreiben auf, was sie sehen. Wir beobachten und sagen uns dann: ich sehe eine Möglichkeit zur Verbesserung!

 

// Danke für das Interview.

 

@Social Design Elevation Days, Impact Hub Munich

Interview: Anna Várnai & Verena Högerl, Hans Sauer Stiftung