Interview mit Claudia Banz

Claudia Banz, Kunst- und Designhistorikerin, leitete von 2011-2017 die Sammlung Kunst und Design am Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg und ist seit 2017 Kuratorin des Kunstgewerbemuseums in Berlin. Dort setzt sie sich u.a. mit einem Design Lab für einen aktuellen Design-Diskurs ein und sucht so den Austausch mit dem Design-Nachwuchs aber auch der Zivilgesellschaft.

 

// 24.11.2020

social design lab:

Was ist für Sie Social Design und was macht gutes Social Design aus? Welche Rolle spielt der Prozess im Social Design?

Claudia Banz:

Social Design ist für mich eine Art „Positionsbestimmung“ für eine Haltung und gestaltende Aktivität  im Sinne nachhaltiger, gemeinnütziger Veränderungen der Gesellschaft. Gutes Social Design entsteht im direkten Austausch mit den betroffenen Zielgruppen und sollte eher bottom-up als top-down funktionieren. Es beschränkt sich auch nicht auf die Profession des Designers oder der Designerin, sondern bringt Akteur*innen aus ganz unterschiedlichen Kontexten in einem partizipativen und kollaborativen Prozess zusammen, um Transformationen durch Erkenntnisgewinn, das aus gemeinsamen Handeln resultiert, anzustoßen. Besonders wichtig finde ich daher, das Thema aus der Designblase hinauszutragen und in die Gesellschaft hinein, wo es ja auch hingehört.

 

social design lab:

Sie haben 2016 als eine der ersten Herausgeberinnen in Deutschland zu Social Design publiziert (Social Design – Gestalten für die Transformation der Gesellschaft // transcript Verlag). Was war damals Ihre Intention Motivation und was war die Resonanz? Und was hat sich seitdem verändert?

Claudia Banz:

Eigentlich habe ich schon 2011 einen Band des Kunstforums International zum Social Design herausgegeben. (207/2011). Initialzündung hierfür war eine Einladung, für die Utrecht Manifest. Biennial For Social Design eine Ausstellung zu kuratieren. Mit Unresolved Matters. Social Utopias Revisited habe ich mich dem Thema aus der historischen Perspektive genähert. Das war 2009. Da war man in den Niederlanden und im anglosächsischen Raum schon sehr viel weiter im Diskurs und in der Praxis als in Deutschland. Als Museumsfrau wollte ich unbedingt auch das Museum als öffentliche Kulturinstitution in dieser Debatte positionieren. Denn Museen sind ja wichtige Multiplikatoren und besitzen einen wichtigen Impact. Daher sollten sie zu relevanten gesellschaftlichen Themen auch eine Haltung entwickeln. 2014 ergab sich dann die Möglichkeit für ein Symposium am Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg, wo ich damals als Sammlungsleiterin arbeitete. Es war eine Art Bestandaufnahme der aktuellen Reflexion in Deutschland und lieferte die Startrampe für die zweite Publikation, die Sie oben erwähnten.

Die Resonanz war sehr gut. Die Designdisziplin ist ja naturgemäß praxisorientiert, aber in der Verortung des eigenen Tuns in der Geschichte gibt es noch große Leerstellen. Deshalb geht ja auch sehr viel Wissen wieder verloren. Deswegen finde ich es wichtig, dass bestimmte Entwicklungen oder Strömungen im Design immer wieder auch theoretisch und historisch diskutiert werden. Wenn man sich beispielsweise die Architektur zum Vorbild nimmt, die ja auch aus der Praxis lebt, dann gibt es noch viel zu tun.

 

social design lab:

Als Kuratorin des Kunstgewerbe Museums Berlin tragen Sie zum öffentlichen Diskurs über (Social) Design bei. Was fehlt aktuell in diesem Diskurs und worüber sollten wir mehr informieren und sprechen?

Claudia Banz:

Nun, ein Thema vermisse ich sehr stark, obwohl fast jeder davon betroffen ist: Verwaltung, Bürokratie und der Verschleiß der Ressource Mensch in diesen Prozessen. Damit hängt für mich auch ein anderes wichtiges Thema zusammen, das der Soziologe Steffen Mau als „Quantifizierung des Sozialen“ sehr treffend auf den Punkt gebracht hat.

 

social design lab:

Welche (gesellschaftlichen) Aufgaben fallen denn einem*r Designer*in heute zu? Inwiefern muss sich die Rolle der Designer (in der öffentlichen Wahrnehmung) verändern?

Claudia Banz:

Ich habe den Eindruck, dass viele Designer*innen im Hamsterrad der ästhetisch-ökonomischen Konsumbeschleunigung stecken bleiben. Aber wenn wir das Gebot der Stunde tatsächlich ernst nehmen, nämlich über Postwachstum und die Konsequenzen nachzudenken, dann ergeben sich daraus eigentlich klare Aufgabenfelder für Designer*innen und Architekt*innen. Auf EU-Ebene startet ja gerade das von Ursula von der Leyen ausgerufene Projekt „New European Bauhaus“, das eine Allianz aller Kreativschaffenden im Dienste eines New Green Deal ausruft. Ich bin gespannt, ob wir einen Impact spüren und wenn ja, wohin er unsere Gesellschaft führen wird.

social design lab:

Welchen Einfluss hat Design momentan auf unsere Gesellschaft? Glauben Sie, dass wir mit der Hilfe des Designs Antworten finden können, auf die großen, drängenden Herausforderungen unserer Zeit?

Claudia Banz:

Nun, ich glaube nicht, dass die Designer*innen alleine die Welt retten können. Es wäre zwar schön, aber das ist Wunschdenken. Aber Design kann sichtbar machen, den Finger in die Wunden legen und als Bewusstseinsverstärker dienen für nachhaltige Konzepte.

 

social design lab:

Die Hans Sauer Stiftung wendet Prinzipien des Social Design an, um z.B. das Konzept der Circular Society in der Breite gemeinsam weiterzuentwickeln, nachvollzieh- und realisierbar zu machen. Geht das für Sie zusammen?

Claudia Banz:

Ja, ich glaube schon. Das Konzept der Circular Society halte ich für sehr interessantes Modell, um unsere Gesellschaft aus dem destruktiven Kreislauf der Ressourcenverschwendung und deren negativen Auswirkungen auf alle Lebewesen und unseren Planeten herauszuführen. Allerdings ist das Thema noch viel zu sehr in der Nische. Es bräuchte einige potente globale Player, die mit gutem Beispiel vorangehen. Auch die Politik sollte das Konzept stärker vertreten und entsprechende Forderungen stellen bzw. Vorgaben machen. Eigentlich wäre das etwas für den oben erwähnten New Green Deal.

 

social design lab:

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des Designs?

Claudia Banz:

Design = sozial inklusiv, ökologisch ressourcenschonend und ökonomisch demokratisch!

 

 

// Vielen Dank für das Interview.

Interview: Barbara Lersch und Sarah Dost