Interview mit Florian Henschel

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Florian Henschel studierte Produkt Design (B.A.) an der Bauhaus-Universität Weimar. In seinem Studium absolvierte er ein Auslandsemester am Pratt Institute, Brooklyn, USA sowie ein Praktikum bei Siemens Healthineers. Seit September 2021 studiert er im Masterstudiengang “Strategic Product Design” an der TU Delft in den Niederlanden. Für seine Bachelor-Abschlussarbeit MateriaLab bekam er im Rahmen der „German Design Graduates“ von der Hans Sauer Stiftung den Social Design Award verliehen.

Die Arbeit beschäftigt sich nicht nur mit einer der relevantesten Herausforderungen unserer Zeit, dem Umgang mit begrenzten Ressourcen, sondern spricht auch eine Zielgruppe, nämlich Grundschulkinder an, die schon bald Mitverantwortung für die Zukunft unseres Planeten tragen wird. Innovative und zukunftsweisende Wissensvermittlung ist essenzieller Bestandteil der notwendigen Transformation hin zu einer Gesellschaft, die für ihr Tun und Handeln Verantwortung übernimmt. Zu dieser Wissensvermittlung trägt die Arbeit MateriaLab auf eine sehr anschauliche Art und Weise und in einer innovativen Form bei.

 

//19.10.2021

social design lab:

Deine Abschlussarbeit „MateriaLab“ setzt darauf, das Bewusstsein für Abfall und Recyclingprozesse bereits im Grundschulalter zu stärken. Welche Gewichtung schreibst du Bildung im Kontext der Nachhaltigkeitsthematik zu und welche Auswirkungen erhoffst du dir mit dem Projekt zu erzielen?

Florian Henschel:

Bildung ist der Grundstein für umweltverträgliche Verhaltensänderungen der Gesellschaft und Aktivismus für politische Besserungen des Problems. Das Thema Abfall ist auch in allen Grundschullehrplänen in Deutschland verankert. Meine Arbeit soll Lehrer*innen vor allem helfen ihren Unterricht zu veranschaulichen, es Schüler*innen ermöglichen selbsterzeugten Abfall als Material zu erforschen und Recycling- und Kompostierungsprozesse erlebbar machen. Das soll zum einen die Wertschätzung von diesem steigern und langfristig zu einem verantwortungsbewussten, ökologischen Umgang mit Abfall, möglichst auch im Erwachsenenalter, führen.

 

social design lab:

Recycling- und Abfallprozesse sind sehr komplex und selbst Erwachsenen meist kaum im Detail bekannt. Welche Recherchen sind deinem Projekt vorausgegangen?

Florian Henschel:

Grundlegend war vor allem eine Beschäftigung mit der die Frage, wie ich durch Design Veränderungen im Wegwerfverhalten bewirken kann. Ich habe verschiedene Hausmüllströme untersucht und bin dabei auf viele überraschende Probleme gestoßen. Zum Beispiel auch darauf, das die hohe Abfallverwertungsquote in Deutschland nicht gleichzeitig zu einer hohen Recyclingquote des Hausmülls führt oder selbst wenn Bürger*innen in Deutschland Müll sauber und ordentlich trennen, nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Abfall in Malaysia in der Umwelt landet. Die ganzen Einsichten waren häufig sehr bedenklich und haben vor allem die Bedeutung der Abfallvermeidung für mich, sowohl in dieser Arbeit als auch persönlich, verdeutlicht.

 

social design lab:

Welche Rolle hat das Thema Nachhaltigkeit und zirkuläres Denken in deiner Ausbildung zum Designer gespielt? Welche Rolle sollte Themenschwerpunkte wie soziales und nachhaltiges Design in der Ausbildung grundsätzlichen spielen?

Florian Henschel:

Im Studium habe ich durch mehrere Projekte und Workshops Erfahrungen mit den Themen Materialrecycling und Circular Design machen können. Noch dazu war ökologische Nachhaltigkeit eh im ganzen Studium an der Bauhaus Universität ein begleitendes Thema, das in jedem Projekt zumindest als Teilaspekt beachtet werden musste. Ein Designstudium bietet die Möglichkeit, sich mit vielen gesellschaftlichen Problemen intensiv auseinanderzusetzen. Ob das jetzt in der Altenpflege, in der Mobilität oder der Abfallwirtschaft ist, Ziel war es immer Probleme zu identifizieren, Lösungsansätze für diese zu entwickeln und so nach und nach zur Lösung beizutragen. Die Themen sind häufig komplex und in Teilen auch paradox und sollten so auch diskutiert und bearbeitet werden. Man macht es sich zu einfach, wenn man beispielsweise eine recycelbare Plastikverpackung durch eine schwer recycelbare beschichtete Papierverpackung ersetzt.

 

social design lab:

Die Disziplin Design war lange den Spielregeln der Massenproduktion und des Konsums unterworfen. Dies ändert sich seit einigen Jahren. Findest du es noch vertretbar als Designer*in Dinge zu gestalten, die keinen sozialen und ökologischen Mehrwert darstellen?

Florian Henschel:

Das kommt darauf an, wie weit man die Begriffe fasst. Neben meinem Studium töpfere ich viel und auch wenn die Gefäße zumindest aus meiner Sicht schön sind und Menschen erfreuen, ist es vermutlich nicht möglich darin einen großen sozialen oder ökologischen Mehrwert zu sehen. Kreative Lösungen für Probleme zu finden, ist jedoch für mich selbst eine bessere Motivation als Designer zu arbeiten. Dinge zu Gestalten, ohne sich den gesellschaftlichen und ökologischen Folgen von diesen bewusst zu sein und dafür einstehen zu können, finde ich nicht vertretbar.

 

social design lab:

Welchen Einfluss können Designer*innen auf eine Transformation hin zu einer nachhaltig denkenden und handelnden Gesellschaft deiner Meinung nach haben? An welchen Stellen kann Gestaltung die Entwicklung beschleunigen oder gar verbessern?

Florian Henschel:

Es müssen Produkte und Dienstleitungen entworfen werden, die eine nachhaltigen Nutzung ermöglichen, diese motivieren und am besten auch belohnen. Das können Lösungen sein, die einen motivieren vom Auto aufs Fahrrad umzusteigen, Waschmaschinen, die sich beschweren, wenn sie mit halber Ladung gestartet werden sollen oder Leihservices für Produkte von kurzer Nutzungsdauer. Außerdem sollten Designer*innen weiterhin auch in der Aufklärung arbeiten, und beispielsweise in Workshops kreative Möglichkeiten vermitteln Abfälle zu vermeiden und wieder zu verwerten oder auch Kampagnen zu starten die uns die Folgen des Fehlverhaltens ins Gedächtnis rufen. Designer*innen können als Brückenbauer fungieren, die sich empathisch mit verschieden Interessensgruppen eines Problems auseinandersetzen und Wissen aus verschiedenen Disziplinen kombinieren können, um ganzheitliche Lösungsansätze zu schaffen. Teil des Prozesses bildet immer das Prototyping, also Ideen lokal und in kleinen Maßstäben auszuprobieren und zu verbessern. Durch eine große Anzahl lokaler Initiativen vor der eigenen Haustür, lässt sich im Sinne einer Graswurzelbewegung die Gesellschaft nachhaltig verändern.

 

// Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Eleonore Eisath, Hans Sauer Stiftung